Ein wichtiger Chart steht in dieser Ausgabe an prominenter Stelle. Denn er zeigt das gegenwärtige Gefährdungspotenzial für die Aktienmärkte, falls die Anleiherenditen (hier abgebildet an den 30-jährigen US-Staatsanleihen, linke Skalierung invertiert) wirklich steigen sollten. Die KGVs von US-Unternehmen auf Basis nächstjähriger Ergebnisse zeigen, dass die aktuellen Kurse den Anleiherenditen etwas davongelaufen sind.
Oder anders dargestellt: Die zuletzt gestiegenen Anleiherenditen würden die aktuelle Aktienbewertung nicht mehr rechtfertigen. Dieser Konflikt lässt sich nur lösen, indem die Anleiherenditen wieder fallen oder eben die Aktienkurse. Eine dritte Möglichkeit besteht in überraschend steigenden Unternehmensgewinnen. Es ist also noch nicht Hopfen und Malz verloren.
Für weiter steigende Anleiherenditen sprächen aber leider die Spekulationen auf eine anziehende Inflation im Kontext einer sich wiederbelebenden Konjunktur, bei welcher der Konsum die Preise treiben könnte. Der Standardwerteindex Dow Jones schloss zwar zur Wochenmitte um 0,3% höher auf 31.613 Punkten. Der technologielastige Nasdaq gab dagegen 0,6% auf 13.965 Punkte nach. Der breit gefasste S&P 500 ging kaum verändert bei 3.931 Punkten aus dem Handel.
Spekulationen auf einen Wachstumsschub durch die geplanten billionenschweren Corona-Staatshilfen stützen noch immer. Der Optimismus der Anleger lässt sich auch an kräftigen
Kursgewinnen konjunkturabhängiger Werte ablesen. Dieser Trend kann den Rest des Jahres anhalten. Oberflächlich betrachtet fällt dies aber nicht so auf, weil Anleger Geld aus anderen Branchen abziehen, um es in sogenannte Zykliker zu stecken. Übertreibungen sieht man in den Zyklikern weitaus weniger als bei den Wachstumswerten wie Technologie oder den besonders gehypten „Stay at home“- Nutznießern der Pandemie.
Bei den Rohstoffen hingegen gibt es eine Reihe belastbarer Gründe für den Preisanstieg. Der Preis für das wichtige Industriemetall Kupfer stieg zeitweise auf ein Neun-Jahres-Hoch von 8437 USD je Tonne. Spekulationen auf eine Erholung des Automobil-Absatzes hievten Platin zeitweise auf ein Sechseinhalb-Jahres-Hoch. Wegen des Trends zu umweltfreundlicheren Technologien bleibt die Nachfrage über dem Angebot. Aus „sicheren Häfen“ zieht man sich zurück. Die „Antikrisen-Währung“ Gold fiel in dieser Woche unter 1800 USD pro Unze. US-Staatsanleihen waren ebenfalls weniger gefragt. Im Windschatten steigender Renditen legten Finanzwerte zu. Bei anziehenden Zinsen winken größere Gewinne aus dem klassischen Kreditgeschäft.
Der Preis für die US-Rohölsorte WTI stieg zeitweise auf ein 13-1/2-Monats-Hoch von 61,29 USD je Barrel (159 Liter). Eine Kältewelle in einigen US-Bundesstaaten behindert die dortige Ölförderung. Bis Anfang März könnte das Rohöl-Angebot dadurch um insgesamt rund 16 Mio. Barrel geringer ausfallen als gedacht. Einem Bericht des „Wall Street Journal“ zufolge will Saudi-Arabien den Preisanstieg nutzen und seine Fördermengen ausweiten. Während Öl selbst quasi wie an einer Schnur nach oben kletterte und wohl genauso korrigiert, bleiben die Ölwerte nach allen relevanten Maßstäben (Kurs zu Buch, Kurs zu Umsatz, Kurs zu Cashflow) noch relativ niedrig bewertet, wie der Chart zeigt. Das wird auch der Grund sein, warum Investoren-Dinosaurier Warren Buffett im großen Stil bei Chevron eingestiegen ist (4,1 Mrd. USD).
Gefährlich werden könnte es nun mit den heiß geliebten Aktien aus dem Sektor „erneuerbare Energien“, der sich zum chinesischen Thema auf Seiten von Nachfrage und Angebot gleichermaßen entwickelt hat. Nachdem sich hier in den vergangenen Monaten eine ausgeprägte Fahnenstange ausgebildet hat und die Branche weltweit dominiert wird von chinesischen Unternehmen, könnte das Ende der staatlichen Subventionen für Wind und Solar in 2021 bei den meisten Unternehmen zu empfindlichen Einbußen im Profit führen.
Andere Sektoren mögen in China noch haltenswert sein. Dennoch schreit die Kursentwicklung seit Jahresauftakt geradezu nach eine Konsolidierung. So hat der chinesische Google-Konkurrent Baidu die Anleger mit seinem Umsatzwachstum positiv überrascht. Im vierten Quartal stieg der Gesamtumsatz um 5% auf 30,26 Mrd. Yuan (umgerechnet rund 3,9 Mrd. EUR). Damit wurden die durchschnittlichen Erwartungen der Analysten von 30,06 Mrd. Yuan übertroffen. Grund seien höhere Werbeeinnahmen bei den Such- und Video-Streaming-Plattformen sowie eine
stärkere Nachfrage nach Cloud-Dienstleistungen und KI-Plattformen gewesen. Der Überschuss fiel dagegen auf 5,17 Mrd. Yuan von 6,35 Mrd. Yuan im selben Vorjahreszeitraum. Die Aktie ist seit Jahresbeginn über 50% gestiegen und hat ihr Hoch von 2018 nun herausgenommen.
Zu einem anderen Thema: Für die Demokraten in den Vereinigten Staaten bleibt das Gesundheitswesen ein wichtiger Sektor – gerade im Nachgang der Pandemie. Nicht jeder Subsektor dürfte gleichermaßen profitieren. Das hatte man bereits bei der Einführung von ObamaCare 2010 erfahren müssen. Zumindest kurzfristig sehen wir aber gute Chancen, denn das im Langfristvergleich niedrige KGV in Kombination mit dem konservativen Touch der Unternehmen offenbart einige Potenziale. Wir haben bereits zwei Spezialpharma-Titel im Portfolio: Viatris und Bausch Health Companies. Bei letzterer publizierten in der vergangenen Woche gleich zwei Hedgefonds, dass sie fast 14% des ausstehenden Aktienkapitals halten