Eigentlich war das letzte Treffen vor der Sommerpause der Europäischen Zentralbank einer dieser NonEvents. Denn an der geldpolitischen Ausrichtung änderte sich erneut nichts. Aber die EZB-Chefin Christine Lagarde nutzte die Gelegenheit, um noch einmal einige Punkte hinsichtlich der EZB-Strategie klarzustellen. Der wichtigste:
Spekulationen, dass die Zentralbank ihr Corona-Notfallprogramm PEPP nicht voll ausschöpfen würde, wurde eine klare Absage erteilt. Mit einer kleinen Hintertür. Denn Lagarde meinte, dass von den eingeplanten 1,35 Bio. EUR an Anleihenkäufen nur dann abgerückt werden würde, wenn die europäische Wirtschaft „erhebliche positive Überraschungen“ liefern würde. Dass es überhaupt solche Spekulationen gab, lag natürlich an den jüngsten Beruhigungen am Kapitalmarkt wie auch an einigen verbesserten Konjunkturdaten.

Ein weiteres Streitthema auch im EZB-Rat ist der Kapitalschlüssel. Dieser soll eigentlich die Leitlinie für die entsprechenden Anleihenkäufe sein, denn die EZB ist dazu angehalten, entsprechend diesem Schlüssel Anleihen zu kaufen, was beispielsweise deutschen
Bundesanleihen ein deutliches Übergewicht geben würde. Wie Lagarde hier erklärte, soll der Kapitalschlüssel weiterhin Richtschnur auch bleiben. Aber er soll die Effektivität der geldpolitischen Maßnahmen nicht behindern. Zwischen den Zeilen gelesen: Orientierung ja, aber
jetzt nicht „sklavisch“. Man wird man eher darauf achten, wer es offenbar nötiger hat. Dass dies dann in der Regel als Antwort Südeuropa heißt, Ist jetzt schon Tatsache.
Alles in allem wird man wohl noch länger darauf warten müssen, dass die EZB hier wieder sichtbar auf die Geldbremse tritt. In gewisser Weise ähnelt das alles auch dem Handeln
während der Finanzkrise beziehungsweise der Euro-Krise. Zu befürchten ist hier erneut, dass die EZB wesentlich länger wartet, um erste Straffungsmaßnahmen durchzuführen, als andere Noten und Zentralbanken es üblicherweise machen (zum Beispiel die US-Notenbank).
Wir hatten ja immer schon kritisiert, dass die EZB durch ihr sehr zögerliches Agieren schon damals Chancen verpasst hatte, die Geldpolitik auf kommende Krisen einzustellen und neue Spielräume zu erarbeiten. Mal abgesehen von dem beispiellosen Volumen an Geldern, die jetzt zur Bekämpfung der Corona-Folgen in die Märkte gepumpt werden sollen, ist wohl nach den jüngsten Äußerungen wieder einmal zu erwarten, Dass die EZB sehr lange die Schleusen offen lassen wird. Womöglich wieder einmal zu lange.