Heute hat die Aussage, man hätte so etwas an den Börsen noch nie erlebt, eine besondere Qualität. Denn mit der einzigen Ausnahme des 19. Oktober 1987 stimmt das. Und 1987 war ein Versehen, denn hier hatte die Börsenaufsicht Handelsunterbrechungen noch nicht vorgesehen und sie kurz danach eingeführt. Mit einem durchschnittlichen Minus von einem Drittel beendete der Donnerstag eine Strecke von vierzehn negativen Handelstagen,
die ihresgleichen suchen. Allein zwei Börsentage mit Limit-Downs mit Handelsaussetzungen gab es in der laufenden Woche.
Kurz: Jeder Stabilisierungsversuch wurde abverkauft. Heute, am Freitag, den 13., könnte das Desaster sein Ende finden. Nachdem der S&P 500 ein weiteres Mal nach Börsenschluss in USA in der Spitze 5% verloren hatte, drehte das Geschehen. Es ging wieder zurück
über die Schlusskurse des Vortags und es deutet vieles darauf hin, dass hier
erst einmal der Schlusspunkt gesetzt wurde. Interessanterweise drehte das
Geschehen in etwa auf der Langfrist- Trendlinie, wenn man den S&P 500
heranzieht.
Wie kam es dazu? Der Essayist Nicholas Nassim Taleb prägte nach der Finanzkrise den Begriff „schwarzer Schwan“ für das Eintreten statistisch äußerst unwahrscheinlicher Ereignisse. Und gleich zwei ereigneten sich in den vergangenen Wochen: Konjunkturstopper COVID-19 und der Absturz des Ölpreises um satte 40%. Während eine Pandemie uneingeschränkt als Negativum aufgefasst wird, könnte man meinen, dass ein Ölpreis bei etwas mehr als 30 USD erst einmal für die Mehrheit der Volkswirtschaften – nämlich die,
die Nettoölimporteur sind – ein Positivum sein müsste.
Hier sollten Sie einmal zurückdenken an die Phase im zweiten Halbjahr 2015 und dem Winter 2015/16, denn zu Jahresbeginn fiel der Ölpreis auf nur noch 26 USD pro Barrel. Das führte zu einem Stopp jeglicher Anlageinvestitionen in der Branche und zu Refinanzierungsproblemen der Fördernationen. Daneben brachte es Erzeuger teurerer Energien wie die „Erneuerbaren“ in arge Schwierigkeiten, denn konkurrenzfähig waren sie angesichts dieses Preises natürlich nicht mehr. Damals ereignete sich mit der Insolvenz von Abengoa im Volumen von 20 Mrd. Euro der mit Abstand größte Ausfall eines Anlagenbauers
von Solarthermie.
Und es war nicht die einzige Insolvenz, die darauf folgte. Die US-Fracking-Industrie und damit auch die Anlagegattung „US-High Yield“ unter den Anleihen kamen in
echte Schwierigkeiten. Heute sind wir wieder da und mit Russland hat es erneut denselben Verursacher wie damals. Wie schnell es hier zu einer Trendwende kommt, ist für uns
aktuell nicht auszumachen. Wir hatten in der vergangenen Woche die britische BP glattgestellt und planen in dem Sektor kurzfristig noch keine Neuengagements, auch wenn es
dort viele große Titel mit nie gesehenen Kurs-zu-Buchwert- Verhältnissen und 6%-igen Dividendenrenditen gibt.
Die Wahrscheinlichkeit, dass zwei für die Kapitalmärkte existenzielle Probleme quasi zeitgleich auftreten, konnte man in dieser Woche live erleben.
Das Resultat war bis Donnerstagabend ein Minus im DAX 30 von knappen 25% allein in dieser Woche und seit dem 21. Februar von insgesamt 36%. Würden sich die Rahmendaten wieder zum Besseren wenden, würde also eine Rückkehr zum alten Hoch einen Kursanstieg von mehr als 56% bedeuten.
Übertragen auf den S&P 500 erwartet das die Investmentbank JP Morgan noch in diesem Jahr und legt dort als Kursziel sogar noch 100 Punkte auf 3.500 Punkte drauf. Stand Donnerstagnacht 2.380 Punkte. Sie begründet die Prognose mit vor uns stehenden umfangreichen fiskalischen Fördermaßnahmen weltweit, begleitet von einer ultraexpansiven Geldpolitik, wie bereits am Donnerstag in der EZBPressekonferenz von Präsidentin Christine Lagarde erläutert worden war.
Rein charttechnisch gesehen hatte der Absturz den inzwischen 11-jährigen Aufwärtstrend an den Weltbörsen mit einer senkrecht ausgefallenen Baisse beendet. Sie stehen heute also am Anfang eines neuen Hausse-Trends, der mit Beginn des zweiten Halbjahrs auch von überbordenden globalen Wachstumszahlen begleitet werden wird. Wie an den Börsen üblich, wird man über die schlechten Unternehmenszahlen für Q1 und wohl auch teilweise für Q2 ebenso hinwegsehen wie über die desaströsen Frühindikatoren und Konjunkturzahlen.